Osterode [Curt Heber]

KZ-Außenkommando Heber in Osterode

Im Frühsommer 1942 übernahm der Unternehmer Curt Heber mit Zustimmung des Reichsluftfahrtminsteriums die Optischen und Mechanischen Werke in Osterode. Heber führte die Produktion von Abwurfgeräten unter der neuen Firma Heber Maschinen- und Apparatefabrik (HEMAF) fort. Anfang 1944 brachen wichtige Rüstungsaufträge weg. Heber gelang es, seine Firma in die Herstellung von Komponenten für Raketenteile einzubringen. Fehlende qualifizierte Arbeitskräfte drohten die Abwicklung des neuen Auftrages zu gefährden. Zur Abwendung dieses Personalengpasses soll sich Heber nach Angaben des damaligen Leiters der Personalabteilung der HEMAF schon Anfang 1944 um die Zuweisung von KZ-Häftlingen bemüht haben.

Eine undatierte Anforderungsliste vermutlich aus dieser Zeit nennt einen Bedarf von 50 Männern für den Stahlbau, 25 Werkzeugschlossern und Lehrenbauern, 30 Männern für die Montage und 20 bis 25 Männern für die Versuchsabteilung, die für den „O-Serienbau geheimer Geräte“ geeignet sein sollten. Weiterhin bat Heber um die Zuweisung von drei Männern für die Konstruktionsabteilung und von 100 Maschinenarbeitern. Im Frühjahr 1944 soll laut Aussage eines Zeitzeugen eine SS-Kommission das Westarbeiterlager hinter dem Fabrikgebäude besichtigt und konkrete Anweisungen zur Ausgestaltung zu einem werkseigenen Außenkommando gegeben haben. Nach dem Besuch begann Heber unverzüglich mit dem Bau der KZ-Unterkünfte. Fünf Baracken des Westlagers wurden geräumt und mit einem hohen Stacheldrahtzaun umgeben.

Zudem waren auf Weisung der SS ein Wachturm und eine besondere Beleuchtungsanlage aufzustellen. Um möglichst viele Häftlinge unterzubringen, ließ der Rüstungsfabrikant dreistöckige Bettgestelle aufstellen, so dass die einzelnen Stuben statt ursprünglich 12 nunmehr 20 bis 24 Personen aufnehmen konnten. Die ersten Häftlinge dürften das Lager Ende September 1944 bezogen haben, wie Forderungslisten der SS belegen, wonach für die bei der HEMAF beschäftigten Häftlinge 80 RM nach Buchenwald zu entrichten waren. Am 1. Oktober zählte das Außenkommando 66 Insassen, doch der Bedarf des Unternehmens an Arbeitskräften war damit bei weitem nicht gedeckt. Am 4. Oktober 1944 stellte Heber erneut einen „Antrag auf Gestellung von 260 Häftlingen“, über den die SS scheinbar kurzfristig entschied. Ende Oktober 1944 war die Zahl der Lagerinsassen durch weitere Buchenwald-Transporte, insbesondere den vom 12. Oktober mit 192 Häftlingen, auf 284 gestiegen. Im Berichtsmonat zahlte der Rüstungszulieferer 11.719,20 RM an die SS; im darauf folgenden Monat Dezember 1944 waren es 43.950,00 RM.

Die aus Buchenwald zugewiesenen KZ-Sklaven waren nur bedingt in der Lage, die geforderte schwere körperliche Arbeit zu verrichten. Der Krankenstand war im Vergleich zu dem, der ebenfalls bei Heber in großer Zahl tätigen Fremd- und Zwangsarbeiter, doppelt so hoch. Die Häftlinge arbeiteten in zwei Schichten zu je 12 Stunden. Die Fabrikräume waren durch besondere Vorkehrungen gegen Ausbrüche gesichert; an den Eingangstüren waren Wachen postiert. Das ursprünglich zu Buchenwald zählende Lager wurde Ende Oktober 1944, vermutlich wegen des durch die Entwicklung der Fliegerbordrakete gegebenen funktionalen Zusammenhanges, dem KZ Mittelbau unterstellt, baute jedoch weder zum Hauptlager Dora noch zu dem nur wenige Kilometer entfernten Außenlager „Dachs IV“ in Osterode-Petershütte engere Verbindungen auf. Bezugspunkt blieb nach wie vor das KZ Buchenwald, das zunächst weiterhin für die Zuführung neuer Zwangsarbeiter sorgte.

Dora verlegte erstmals Ende Februar 1945 Häftlinge nach Osterode. Im Dezember 1944 und Anfang Januar 1945 ließ der Rüstungsbauer weitere Facharbeiter in Buchenwald mustern, die wenige Tage später in Osterode eintrafen. Ende Februar 1945 kamen 101 Gefangene aus dem KZ Mittelbau-Dora hinzu. Damit dürfte HEMAF zeitweise mehr als 500 KZ-Sklaven in seinem Lager gehalten und im Betrieb ausgebeutet haben. Bis Ende 1944 hatte ein etwa 40 Jahre alter Wehrmachtsoffizier, der sich „ungewöhnlich korrekt“ gegenüber den Gefangenen verhalten haben soll, als Lageraufseher das Außenkommando geleitet. Offenbar war er in Ungnade gefallen, als er sich bei der Firmenleitung beschwerte, dass die KZ-Häftlinge die ihnen zustehenden Rationen nicht in vollem Umfang erhielten, und er damit die Forderung verbunden hatte, eine separate Küche für das Lager zu schaffen.

Anfang 1945 wurde das komplette Lagerpersonal durch SS-Leute aus Auschwitz ersetzt. Misshandlungen der Häftlinge waren von da an der Tagesordnung. Lagerinsassen, die im Winter beim Waschen wegen der Kälte ihre Hemden nicht ausziehen wollten, wurden von SS-Bewachern in einen mit eiskaltem Wasser gefüllten Bottich geworfen. Insbesondere der neue Lagerkommandant soll mit unnachgiebiger Härte gegen die Häftlinge vorgegangen sein und wahllos Prügelstrafen vollzogen haben. Trotz Frost und Kälte mussten die nur mit dünner KZ-Kluft bekleideten Häftlinge stundenlang auf dem Appellplatz antreten. Auch die Unterkünfte sollen nur unzureichend beheizt worden sein. All dies potenzierte die allgemeine Entkräftung und führte zu einem weiteren Anstieg der Todeszahlen.

Als alliierte Truppen herannahten, löste die SS das Außenkommando um den 6. April 1945 auf. Die SS teilte die Häftlinge in zwei Gruppen, die, so hieß es, nach Bergen-Belsen geführt werden sollten. Am 10. April 1945, nach viertägigem Fußmarsch, befreiten amerikanische Truppen einen Großteil von ihnen.

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