Stempeda [Junkers/Verlagerungsprojekt B4]

Außenkommando Stempeda (Verlagerungsprojekt B 4)

Etwa zeitgleich mit der Inbetriebnahme des Junkers-Werkes in der Heimkehle entschied sich der Flugzeugkonzern, nun auch sein Presswerk und den Werkzeugbau aus Schönebeck in die Nähe von Rottleberode zu verlegen, und zwar nach Stempeda. Dort sollten nach ersten Planungen drei leicht gebogene Haupt- und sieben Querstollen in das Anhydritgestein getrieben werden. So sollten etwa 14.000 qm geschaffen werden, auf denen 750 Personen ab Mai 1945 an 125 Maschinen Flugzeugteile produzieren sollten. Mit dem Stollenausbruch war die Mansfeldische Kupferschieferbergbau AG beauftragt.

Noch Ende August 1944 begannen die Arbeiten auf der Baustelle B 4. Am 25. August trafen die ersten 50 Häftlinge ein. Untergebracht wurden sie zunächst im ebenfalls von Junkers finanzierten Lager „Heinrich“ in Rottleberode. Binnen weniger Tage stieg ihre Zahl auf mehr als 300 und pendelte sich bis Ende 1944 in etwa auf dem Niveau ein. Die schon von der Schwerstarbeit zermürbten Häftlinge mussten täglich die drei Kilometer von Rottleberode nach Stempeda und zurück zu Fuß zurücklegen, ungeachtet ihrer körperlichen Verfassung. Berichtet wird, dass im Spätherbst die Wege derart aufgeweicht waren, dass die Häftlinge mit ihren viel zu weiten, vollgesogenen Segeltuchgaloschen immer wieder im Schlamm stecken blieben. Letzten Endes nahmen sie auch bei extremster Witterung das ungeeignete Schuhwerk in die Hand und gingen barfuß weiter, was die Erkrankungsgefahr noch erhöhte. „Die Kleidung der Häftlinge war dünn und sie froren jämmerlich“, erinnert sich sogar ein Bewacher, der Luftwaffensoldat Willy Mirbach: „Es war ein Bild des Jammers, wenn man sah, wie die Häftlinge mit blauen Lippen und eingezogenem Kopf zur Arbeit gehen mussten“.

Nachdem Junkers wiederholt an den die Arbeitsleistung beeinträchtigenden Verhältnissen Anstoß genommen hatte, fand sich die SS bereit, in unmittelbarer Nähe der Baustelle Baracken zu errichten, in die die Bauhäftlinge im Januar 1945 gesteckt wurden. Kurze Zeit später wurden 400 aus dem polnischen Tschenstochau evakuierte KZ-Zwangsarbeiter über Buchenwald und Dora nach Stempeda verlegt; die Gesamtzahl der Arbeitssklaven dort stieg auf etwa 700. Bei den Lagerinsassen war das Arbeitskommando B 4 wegen der mörderischen Arbeitsbedingungen im Stollenvortrieb besonders gefürchtet; die jüdischen Häftlinge aus Tschenstochau hatten ständig zusätzliche Misshandlungen zu erleiden. Einige von ihnen sollen während der Arbeit derart geprügelt worden sein, dass sie den Verletzungen erlagen. SS-Angehörige besaßen auch den Sadismus, als antisemitische Repressalie jüdische Häftlinge mitten im Winter in den vor den Stolleneingängen angestauten Krebsbach zu treiben. Dokumentiert ist das Schicksal eines jüdischen Häftlings, der sich krank gefühlt und daher während der Arbeit sein KZ-Mäntelchen angelassen hatte. Einer der SS-Offiziere ließ ihn zur Strafe ein Loch in den Stautümpel hacken und von zwei SS-Posten so lange ins Wasser tauchen, bis er erfroren war. Berichtet wird, dass auch Kapos im Stollen Häftlinge erschlugen oder vor beladene Loren warfen, so dass sie überrollt wurden.

Das Bauvorhaben B 4 blieb wie die anderen Großprojekte im „Mittelraum“ ein Torso. Anfang April 1945 existierten die drei Hauptfahrstollen auf einer Länge von 200 m. Mit den schon aufgefahrenen Querstollen, betrug die im Rohbau fertig gestellte Produktionsfläche 3.700 bis 4.500 qm. Das KZ-Arbeitskommando B 4 wurde Anfang April 1945 aufgelöst, die Häftlinge zusammen mit denen des Lagers „Heinrich“ in zwei Transporten auf den Evakuierungsmarsch geschickt.

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