Buchautor Frank Baranowski
Wie kommt man als Scheidungsanwalt dazu, zeithistorische Bücher zu schreiben?
Mein Interesse an zeit- und regionalhistorischen Themen wurde Ende der 1980er Jahre durch eine Schülerarbeit für die Robert-Bosch-Stiftung geweckt. Initiiert durch meinen damaligen Französischlehrer galt es, die Lebens- und Arbeitsbedingungen von ausländischen Arbeitskräften und Zwangsarbeitern während der NS-Zeit in Göttingen und der Umgebung zu erforschen. Mein Part war es, die Geschichte des Polte-Werkes und des zugehörigen Buchenwalder KZ-Außenkommandos in Duderstadt, etwa 30 km südlich von Göttingen gelegen, aufzuarbeiten. Ein damals noch verdrängtes Kapitel der Duderstädter Heimatgeschichte. Meine Großmutter arbeitete während des Krieges in der von Polte am Euzenberg innerhalb weniger Jahre hochgezogenen Munitionsfabrik.
Mitte 1944 ließ sich der Bedarf an Arbeitskräften nicht mehr decken. Wie an anderen Standorten bereits vorexerziert, entschied die Magdeburg Konzernleitung auch in Duderstadt weibliche KZ-Häftlinge zu beschäftigen. Dafür waren Aufseherinnen erforderlich, die aus den Reihen der Belegschaft des Rüstungsbetriebes für Luftwaffenmunition zu stellen waren.
Um die Frauen für ihre neue Tätigkeit zu „qualifizieren“, mussten sie einen Lehrgang für Aufseherinnen im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück absolvieren. Meine Großmutter war als eine der Aufseherinnen auserkoren, doch weigerte sie sich mit den für sie daraus resultierenden Repressalien. Der Robert-Bosch-Preis konnte mit der Schülerarbeit gewonnen werden. Weitere Auszeichnungen folgten.
Dies war nicht nur Bestätigung, sondern zugleich Initialzündung für weitere Recherchen mit einem zunächst noch eingeschränkten regionalen Fokus. 1993 erschien meine erste Monografie zur Geschichte der Duderstädter Polte-Werke. Die Forschungen für dieses Buch offenbarten ein enges Netz an Zulieferern und eine enge Verstrickung mit anderen Rüstungsbetrieben der Region. Dies verleitete zu immer neuen „Missionen“. Das Gewicht der Archivbesuche verlagerte sich zusehends von kommunaler Ebene auf die Landes- auf Bundesarchive. Außerdem konnte ich die Bestände des „Service des Victimes de la Guerre“ (AVSG) in Brüssel sichten und zumindest Teile davon zu erschließen.
Gleichzeitig weitete sich der Radius meines Forschungsgebietes, das nunmehr den gesamten südniedersächsischen und nordthüringischen Raum erfasst, kontinuierlich weiter aus. Das juristische Studium erleichterte mir dabei den Zugang zu NS-Prozessakten und öffnete mir die Tür zu anderen Institutionen und Behörden, selbst zu Firmenarchiven größerer Unternehmen. In den Jahren hat sich viel Material angesammelt, das von mir archiviert und so für die Nachwelt gesichert wurde. Darunter über tausend historische Fotoaufnahmen von Lagern, Rüstungsbetrieben und Firmen. Ziel ist es, diese langfristig in die Bilderdatenbank dieser Seite einzustellen und so der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
In der Datenbank stehen diverse Texte von mir zum Abruf zur Verfügung.