Kelbra [Mittelwerk GmbH]

KZ-Außenlager Kelbra, Mittelwerk GmbH

Im Spätherbst 1944 errichtete die Mittelwerk GmbH in den mehrgeschossigen Kellern der ehemaligen Brauerei Kelbra ein weiteres Zwischenlager für Elektroteile der A4-Rakete. Am 28. Oktober 1944 stellte das Lager Dora 14 Häftlinge zum Be- und Entladen von Eisenbahnwaggons dorthin ab. Unterkunft war die „Sängerhalle“, dem örtlichen Tanz- und Theatersaal. „Im Nebenlager Kelbra waren wir im Erdgeschoss in einem großen Raum untergebracht (…), der etwa in der Hälfte durch eine Holzwand abgeteilt war“. Toiletten und behelfsmäßige Waschgelegenheiten befanden sich im stacheldrahtumzäunten Hinterhof. Am 3. November 1944 erweiterte das KZ Mittelbau-Dora sein Außenkommando Kelbra auf eine Stärke von 50 Häftlingen, die es bis Kriegsende in etwa behielt. Unter SS-Unterscharführer Walter Christoph bewachten 15 SS-Leute die Häftlinge in den Unterkünften und auf dem Weg zur Arbeitsstätte; sie waren ebenfalls in der Gaststätte „Sängerhalle“ untergebracht.

 

In den Magazinen der Brauereikeller hatten zivile deutsche Arbeitskräfte das Kommando, dessen Ausführung ein Lagerkapo überwachte. Nach Aussagen ehemaliger Häftlinge kam es in Kelbra zu keinen größeren Misshandlungen oder gar Todesfällen. Ein französischer KZ-Häftling erlitt einen Arbeitsunfall, als das Kabel eines Lastenaufzuges riss; er wurde mit einem Oberschenkelbruch ins Revier von Dora transportiert. Der Bruch verheilte und der Häftling wurde danach in Halle 28 des Kohnsteins eingesetzt. In der Nacht zum 5. April 1945 flohen vier russische Häftlinge. Ihnen gelang es, das Gebäude der Sängerhalle unbemerkt zu verlassen und, nachdem sie am Hoftor einen Wachmann niedergeschlagen hatten, die Umzäunung im Hinterhof zu überwinden. Die anschließende Suchaktion blieb erfolglos.

Noch in der gleichen Nacht ordnete Lagerführer Christoph die Evakuierung des Lagers für den nächsten Morgen an. In der Nacht ließ die SS-Wachmannschaft Lebensmittel und ihre persönliche Habe auf Ackerwagen verstauen. Frühmorgens, am 5. April 1945, setzte sich die Marschkolonne in Bewegung. Da keine Pferde verfügbar waren, mussten Häftlinge die Wagen ziehen. Von Christoph zu größter Eile angetrieben, erreichte die Marschkolonne zunächst Stolberg, dann Wittenberge an der Elbe. Während des Evakuierungsmarsches kam es immer wieder zu Ausschreitungen des SS-Personals. Einige Wachmänner schlugen wahllos auf die entkräfteten Häftlinge ein und erschossen Nachzügler. Da die Elbbrücke zerstört war, ließ SS-Unterscharführer Christoph den Transport mit einer Fähre übersetzen.

Am anderen Elbufer erklärte ein SS-Offizier dem Lagerleiter, der Transport werde in der bisher eingeschlagenen Richtung bald auf russische Truppen stoßen. Daraufhin ließ dieser die Häftlinge in Richtung Ludwigslust marschieren. Wenige Kilometer nördlich dieser Stadt erreichte der Transport das Neuengammer Evakuierungslager Wöbbelin, in dem sich bereits mehrere Häftlingszüge aus anderen Konzentrationslagern befanden. Lagerführer Christoph übergab seine Kelbraer KZ-Häftlinge und setzte sich ab. Das Lager Wöbbelin wurde am 2. Mai 1945 von amerikanischen Truppen befreit. Im Dezember 1976 hatte sich Christoph vor dem Landgericht Krefeld wegen der Morde auf dem Evakuierungsmarsch zu verantworten. Nach mehr als 30 Jahren war es nicht mehr möglich, den Sachverhalt juristisch korrekt aufzuklären, so dass Christoph aus Mangel an Beweisen freigesprochen wurde.