Duderstadt [Polte]
KZ-Außenkommando Duderstadt
Ab 1941 griff der Duderstädter Rüstungsbetrieb Polte vermehrt und im stetig steigendem Umfang auf zwangsrekrutierte Fremdarbeiter und Kriegsgefangene zurück, die zunächst in acht Holzbaracken unmittelbar vor den Werkstoren einquartiert waren. Im Frühsommer 1942 setzte der Rüstungsproduzent sich mit seiner Forderung nach dem Bau eines Barackenlagers für 600 bis 800 Fremdarbeiter und Kriegsgefangene auf dem Fußballplatz „Am Westerborn“ durch. Am 27. Juli 1942 unterrichtete das Ministerium für Rüstung und Kriegsproduktion die Stadt, „dass in den nächsten Tagen mit den Arbeiten zur Errichtung des Lagers für ausländische Arbeitskräfte der Firma Polte auf dem Fußballspielplatz in Duderstadt begonnen wird. (…) Das ganze Lager, abgesehen von den Teilen, die mit Kriegsgefangenen belegt werden, wird durch einen 1,50 m hohen Lattenzaun mit darüber waagerecht gezogenen Stacheldraht, insgesamt 2 m hoch, umgeben“.
Nach Bezugsfähigkeit der Baracken löste Polte die bisherigen Unterkünfte vor dem Werksgelände auf und verlegte die Insassen in das neu geschaffene Lager. Zusätzlich mietete Polte Räumlichkeiten im Gebäude der Möbelfabrik Steinhoff an und brachte darin weitere ausländische Arbeitskräfte, offenbar nur Frauen, unter. Ende Dezember 1943 standen 2.424 Personen im Dienst des Rüstungsproduzenten, am 31. Januar 1944 waren es 2.487, dann sank die Zahl zum 30. Juni 1944 geringfügig auf 2.277. Im Frühjahr 1944 lag der Ausländeranteil bei etwa 40 %.
Einberufungen zur Wehrmacht entzogen dem Betrieb weitere deutsche Arbeitskräfte. Mitte 1944 entschied die Magdeburger Konzernleitung, auch in ihrer Duderstädter Niederlassung KZ-Häftlinge zu beschäftigen, wie zu ihrer Zufriedenheit in anderen Zweigwerken zuvor bereits erfolgreich praktiziert. Am 24. Oktober 1944 reichte der Polte den Bauantrag für „die Errichtung eines Zaunes um das KZ-Außenlager“ beim Bauamt der Stadt Duderstadt ein. Nach einer ärztlichen Tauglichkeitsuntersuchung stellte die SS Ende Oktober 1944 in Bergen-Belsen einen Transport von 750 ungarischen Jüdinnen zusammen, der am 4. November 1944 in Duderstadt eintraf. Viele der Frauen trugen nur dünne Sommerbekleidung und Schuhwerk, das schlimme Wunden an den Füßen verursachte.
„Unsere Bekleidung bestand aus Fetzen, anstatt Schuhe hatten wir Holzpantoffeln ohne Strümpfe“. Zum Außenkommando gehörten zwei Unterkunfts- und eine Waschbaracke, die in unmittelbarer Nähe des Rüstungsbetriebes auf dem Gelände der ehemaligen Möbelfabrik Steinhoff Aufstellung fanden. Nach den Erfahrungen in Auschwitz empfanden die Frauen die Bedingungen in Duderstadt erträglicher, obwohl sich an der lagermäßigen Unterbringung nichts geändert hatte. Zwar gab es keine Gaskammern, doch es bestand weiterhin die Gefahr, im Krankheitsfalle ins Stammlager nach Buchenwald zurückgeführt zu werden, was einem Todesurteil gleichkam. Die Arbeit bei Polte wird von den Insassen übereinstimmend als schwer und kräftezehrend bezeichnet. „Ich arbeitete in einer Waffenfabrik, zwölf Stunden, abwechselnd bald tags, bald nachts. Die Arbeit war sehr schwer und erschöpfend“. Eine andere Ungarin erinnert sich: „Ich kam zur schwersten Arbeit. Wir mussten mit Eisen gefüllte zentnerschwere Kisten heben“. Auch Jolan Reich bestätigt: „Es herrschte Strenge, frühes Aufstehen, wir schleppten Kisten, und sie waren so streng, dass sie uns für den kleinsten Fehler mit dem Tod drohten“.
Soweit bekannt ist, verstarben vier weibliche Häftlinge in den ersten beiden Monaten ihrer Gefangenschaft im Duderstädter Außenkommando. Ihre Beisetzung fand auf dem jüdischen Friedhof am Gänseweg statt. Am 25. Januar 1945 wurde eine der Frauen mit ihrem in Duderstadt zur Welt gebrachten Kind selektiert und nach Bergen-Belsen geschafft. Als ‚Ersatz‘ und zur Wiederherstellung der bisherigen Kopfzahl wies das Buchenwalder Stammlager dem Duderstädter Rüstungsbetrieb am 28. Januar 1945 fünf Frauen aus Bergen-Belsen zu. Anfang März 1945 kam die Produktion bei Polte Duderstadt fast vollständig zum Erliegen. Es bestand kaum noch eine Notwendigkeit, auf die Arbeitskraft der früher unverzichtbaren Häftlingsarbeit zurückzugreifen. Am 4. März 1945 waren 35 und am 11. März nur noch 16 der vormals 750 Frauen im Betrieb eingesetzt. Mitte März 1945 rechnete die SS die bis dahin erbrachten Arbeitsstunden ab. Dies deutet darauf hin, dass das werkseigene Außenkommando bereits zu diesem Zeitpunkt aufgelöst werden sollte.
Innere kz-bracke polte duderstadt
Als die amerikanischen Truppen dem Harz näher rückten, transportierte die SS am 5. April 1945 die KZ-Häftlinge in einer ‚Blitzaktion‘ mit Bussen und LKWs nach Seesen. Von dort wurden sie in geschlossenen Eisenbahnwaggons, aus denen sie nur für seltene Pausen herausgelassen wurden, in Richtung Theresienstadt transportiert. Die Fahrtroute führte über Magdeburg, Dessau, Wolfen, Leipzig und Dresden. Am 21. April 1945 erreichten die Frauen völlig entkräftet und ausgehungert Lobositz, wo sie Ziel eines Tieffliegerangriffs wurden. Wie viele von ihnen ums Leben kamen, ist nicht bekannt. Am 26. April 1945, nach fast dreiwöchiger Irrfahrt, trafen die Häftlinge des aufgelösten Duderstädter Außenkommandos in Theresienstadt ein. Am 9. Mai befreite die Rote Armee das Lager, das bereits am 2. Mai 1945 vom Internationalen Roten Kreuz übernommen worden war.